Insel Mainau - Ort der Begegnung
05. 06. 2023 Aktuell, Vermitteln 0 Kommentare

inspiriert & realisiert. Praxiserfahrungen aus dem micelab:bodensee* - Teil 2
Von Sabine Neufang
„Am besten gebe ich mal ein Beispiel, wie das micelab:bodensee unsere Art und Weise verändert hat, wie wir Veranstaltungen organisieren und gestalten. Es ging um die Vorstandstagung eines großen Versicherungsunternehmens. Im Vorfeld hatten sich die Organisatoren offen gezeigt, mal was Neues auszuprobieren. Als der große Tag kam, holten wir die Teilnehmer dort ab, wo ein Damm und eine Brücke zur Insel führen. Ich übergab jedem eine Karte. Darauf konnte notiert werden: Was geht mir noch im Kopf herum, das ich nicht vergessen will, aber heute nicht brauche? Alles, was möglicherweise ablenken könnte, wurde dann buchstäblich weggesteckt. Ich habe dazu eingeladen, schweigend über die Brücke zu gehen, mit der Frage im Kopf: Was erwarte ich von diesem Tag? Auf der anderen Seite der Brücke starteten wir dann mit einer Atemübung. Ankommen, präsent sein, offen für das Kommende zu werden: Das wollen wir damit erreichen – und das klappt auch.
Solche Übungen habe ich bei den micelab:experts-Treffen gelernt. Ich habe verstanden, dass Menschen noch gar nicht offen, noch gar nicht kreativ und lernbereit sind, wenn sie mit den Gedanken woanders sind oder sein müssen.
Mittlerweile haben diejenigen im Team, die Veranstaltungen organisieren, ein feines Gespür dafür entwickelt, welche Kund:innen ihre Konzepte komplett fertig haben und welche noch offen für Vorschläge von uns sind.
Ich selbst berate aufgrund der Erfahrungen im micelab deutlich professioneller. Früher bin ich mehr von der eigenen Perspektive ausgegangen: Welche schönen Plätze in der Natur können wir den Kunden bieten, welche Räume im Schloss, im Park, in der Gastronomie? Voller Begeisterung über unsere vielseitigen Möglichkeiten konnte es passieren, das Gespräch zu überfrachten. Mittlerweile fühle ich mich stärker in die Bedürfnisse und Ziele meines Gegenübers ein, höre erstmal lange zu und frage nach – und bringe erst dann unsere Ressourcen ins Spiel, die zielführend eingesetzt werden könnten.
Eine weitere Lernerfahrung aus dem micelab ist die: Ja, wir brauchen einen Ablaufplan für eine Veranstaltung, alles Nötige sollte zur rechten Zeit am rechten Ort sein. Und ja, es braucht auch zeitliche Puffer und offene Zeiträume, um auf das Unplanbare und Spontane, auf neu auftretende Bedürfnisse einer Gruppe reagieren zu können. Mein Mut ist gewachsen, in den Plan reinzugrätschen und Stopp zu sagen, wenn es nötig ist, um flexibel zu reagieren. Die Gruppenenergie ist wichtiger als die Tagesordnung.
Es braucht einen stimmigen Rahmen und eine Haltung zugewandter Gastgeberschaft, damit Menschen sich gut begegnen und gemeinsam etwas schaffen können. Wo wir früher vielleicht intuitiv Dinge richtig gemacht haben, um Räume, Licht, Ton, Musik und Catering aufeinander abzustimmen, können wir heute klarer benennen, warum diese Stimmigkeit für die Zielerreichung wichtig ist.
Wenn wir neue Lehrlinge an Bord holen, erzählen wir vom micelab und von dem, was wir dort erforschen und lernen. Das ist uns vor allem bei den Neulingen wichtig, die direkt mit Veranstaltungen zu tun haben. Großes Erstaunen löst dabei auch aus, dass wir und die anderen Partner im BodenseeMeeting uns nicht als Konkurrenten sehen, sondern als gegenseitige Unterstützer. Seit sich die Mitarbeitenden der großen Veranstaltungszentren rund um den Bodensee bei den micelab-Treffen kennengelernt haben, wissen wir auch: Jedes Haus hat seinen eigenen Charakter, ist einzigartig durch seine Lage, Geschichte, Möglichkeiten. Deshalb fällt es uns leicht zu kooperieren.
Während der Corona-Pandemie zeigte sich der Wert dieses Netzwerks. Wir waren alle verunsichert: Wie setzen wir die Corona-Maßnahmen um, wie gehen wir flexibel mit Lockdowns und Öffnungen um, was sind faire Stornobedingungen für Kunden? Darüber haben wir uns ausgetauscht, das hat uns in schwierigen Jahren gestärkt.
Mich freut es ungemein, wenn der Funke der Begeisterung über diesen Experimentier- und Begegnungsraum micelab auch auf andere überspringt. Das konnten wir erleben, als wir Mitarbeitende unseres befreundeten Unternehmens, des Europaparks Rust, auf der Insel zu Gast hatten. Wir stellten das Format nicht nur vor, sondern probierten gemeinsam auch einige Übungen zur Vertrauensbildung aus. Beim Gegenbesuch in Rust sechs Monate später zeigte sich: Die Vertrauensbande bestanden immer noch. Der Austausch und der Blick hinter die Kulissen waren von beeindruckender Offenheit geprägt.
Mit dem Bodenseeforum in Konstanz, ebenfalls Mitglied des Netzwerks, planen wir eine Kooperation, die ohne das micelab nicht zustande gekommen wäre. Wir haben uns kennengelernt, sowohl die Geschäftsführung als auch auf der Ebene der Mitarbeitenden. Vertrauen ist entstanden, freundschaftliche Beziehungen. Wir kennen die Stärken des jeweils anderen. In Zukunft wollen wir gemeinsam Pakete anbieten, wobei ein Teil der Veranstaltung im Bodenseeforum stattfindet, ein anderer – etwa wenn es um Naturerfahrung geht – auf der Insel Mainau.
Ein neuer Fokus bei uns ist, Schloss Mainau bewusst als Ort der Begegnung anzubieten. Die Insel hatte traditionell diese Funktion. Hier wurden menschen- und völkerverbindende Gedanken in die Welt gebracht. Mit dem micelab haben wir ein Modell entdeckt und kennengelernt, wie man diese Tradition in die Neuzeit überführen kann. Wir gestalten unser Format ebenfalls als Labor, in denen Menschen Erfahrungen machen, darüber reflektieren, sich mit anderen darüber austauschen, gemeinsam lernen und wachsen. Das erste Thema, Resilienz, ist von Graf Björn vorgeschlagen worden. Das liegt uns auch deshalb, weil wir Mitarbeitende dazu bereits ein Jahr lang Impulse gesammelt haben: bei der micelab:expedition, die pandemiebedingt online stattfand.“
Sabine Neufang leitet das Referat Marke bei der Mainau GmbH
* In unserer Serie „inspiriert & realisiert. Praxiserfahrungen aus dem micelab:bodensee“ plaudern micelab-Mitglieder aus dem Nähkästchen: Sie erzählen, wie das micelab:bodensee ihre eigene Arbeit beeinflusst, die Veranstaltungskultur in der Bodenseeregion verändert, und sie lassen uns an ihren persönlichen Erfolgsgeschichten teilhaben.
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